„Imaginaerum“ ist ein außergewöhnliches Album der finnischen Metal Band „Nightwish“. Außergewöhnlich, weil Nightwish einen völlig ungewohnten Weg der Veröffentlichung gehen. „Imaginaerum“ ist bei weitem kein gewöhnliches Studioalbum, sondern die Vorabveröffentlichung eines Soundtrack zu einem Spielfilm, der zum Veröffentlichungstermin der Filmmusik noch keine Premiere hatte. Diese wird einige Monate später stattfinden. Damit gehen die finnische Metal Band neue Wege, die so, meines Wissens nach, noch nie bestritten wurde. Weder im Film, noch in der Musiklandschaft sind mir Beispiele bekannt, wo man über den Soundtrack vorab die Story erzählt. Das sollte man unbedingt beachten, wenn man sich diesem Konzeptalbum nähert!
Dabei soll mir niemand erzählen, er habe über dieses Vorgehen nicht Bescheid gewusst! „Nightwish“ haben über ihre offizielle Website, die in mehreren Sprachen ausgeführt wird, ständig über dieses Projekt informiert. Einschlägige Musikmagazine haben die kleinen Vorgeschichten zum Album bereitwillig aufgegriffen und sie in ihre Online- und Druckformate übernommen. Herausgekommen ist ein stimmiges Gesamtwerk, was eine Geschichte aus einer fantasiegeladenen Welt wiedergibt, der sich jeder auf seine eigene Art und Weise nähern sollte. Darüber möchte ich hier nicht allzu viel schreiben, um den Leuten, die diesen Film in Kino erleben möchten, nicht den Spaß zu verderben. So halte ich mich an die Musik!
Hier veranstalten „Nightwish“ einen Rundumschlag, der von Bombastrock über Symphonic Metal bis hin zu akustischen Balladen alles enthält, was einem Musikfan das Herz höher schlagen lässt. Natürlich hängt es auch davon ab, ob der Zuhörer solche Geschichten und Szenarien mag und mit ihnen etwas anfangen kann. Mir liegt es jedenfalls! Schon allein, weil „Nightwish“ mit jedem neuen Album bereit sind, sich in den Wind der Kritik des eigenen Fankreises zu stellen, auch auf die Gefahr hin, dass diese sich diesem musikalischen Experiment entziehen, oder es öffentlich zerreißen. Wobei ich letztere nicht wirklich verstehen kann. Gibt es doch Möglichkeiten genug, sich mit anderen musikalischen Ausuferungen, die einem selbst dann besser liegen, zu beschäftigen, auch wenn es persönlich mehr Mühe macht. Die Zeiten aus den 80ern, wo eine Band mit einer Melodie 20 oder mehr Alben produziert, haben wir doch hoffentlich nun endlich auch in den Köpfen der engsten Fankreise (… egal wem sie verfallen sind!) hinter uns! Ich denke auch nicht, dass die Leute, die die alten Zeiten für ewig festhalten möchten, in ihrem privaten Umfeld Verträge blanko unterschreiben würden!
Der Opener des Album „Taikatalvi“ überrascht gleich als finnischsprachige Akustikouvertüre. Eine Spieluhr wird zu Beginn aufgezogen und der Part wird vom Bassisten Marco Hietala mit Klavierbegleitung gesungen. Als dann folgt gleich die Singleauskopplung „Storytime“, die neben ihrer gängigen Melodie Orchesterpassagen bieten, die kraftvoll im bekannten Nightwish Stil verarbeitet wurden und den von mir so gemochten Bombastsound aus den Boxen spült. Das Wechselspiel zwischen Metalband, Orchester und Chorpassagen machen diesen 5 1/2-minütige Song zu einem der brillantesten Albumstücke, der meiner Meinung nach auch für Radiostationen interessant wäre. „Ghost River“ hingegen ist etwas für die Fans des Hard Rock. Anette Olszon wird bei den Strophen genügend Platz gespendet, um sich auszutoben. Leider geht sie im Refrain im Gesangsduell mit Marco Hietala, den druckvollen Gitarrenriffs und den symphonischen Elementen ein wenig unter. Das stört aber den Gesamteindruck des Tracks so gut wie gar nicht!
„Slow, Love, Slow“ ist die erste wirkliche Ballade, die durch ein dominierendes Klavierspiel geführt wird. Phasenweise schleichen sich hier ein wenig Jazz- und Swingverwindungen in den Song, die teilweise geschickt durch das Orchester und die Metal Gitarren teilweise abgedeckt wird. „I want my Tears back“ spült soliden Hardrock aus den Boxen, der nach seinem Vorgänger beweist, in welchem Lager Nightwish zu Hause sind. Die folkloristischen Züge geben dem Song einen zusätzlichen kick! Dramatischer wird es wieder mit „Scaretale“. Metalbombast mit Orchester – das haben Nightwish die letzten Jahre perfekt inszeniert und auch auf diesem Album nicht verlernt. Chorgesang, Metal Gitarren und Orchestersound kennzeichnen diesen Hollywood – Sound – Track, der durch das stimmige Rollenspiel von Anette Olzon und Marco Hietala lebt und gedeiht. Die instrumentale Nummer „Arabesque“ gleicht ein wenig wie einer musikalischen Überleitung zwischen zwei Akten im Theater und führt zu „Turn loose the Mairmaids“ – einer Ballade, bei der Anette’s Stimme wie gemacht dafür scheint. Hier kann sie ihre Stärke als Sängerin voll ausspielen und harmoniert wundervoll mit den orchestralen und leicht mittelalterlichen Momenten im Stück.
Mit „Rest Calm“ wird diese Gefühlsduselei aber schnell wieder weggeballert und ins härtere Fach gewechselt, auch wenn der Song einige ruhige Momente bereithält. „The Crow, the Owl and the Dove“ bringt die Freunde von handgemachten Rockballaden in den Vordergrund. Überwiegend werden hier akustische Sequenzen mit einigen musikalischen Spielereien ausgereizt. So dürfte diese Nummer auch etwas für die Radio- und Mainstream Gewillten sein. „Last Ride of the Day“ verwischt aber gleich den Eindruck, dass es sich bei „Imaginaerum“ ein Popalbum handelt. Ähnlich wie „Storytime“ entfaltet sich dieser Song und verbreitet seinen Hardrock – Charakter, der durch das Orchester noch einmal aufgewertet werden kann.
„Song of myself“ verbreitet ganz großes Kino! Ganze 13 Minuten wird man durch unterschiedliche musikalische Stimmungen geleitet, bei dem das Orchester der entscheidende roten Faden im Gebilde dieses Songs ist. Dieser stellt sich mit „Scaretale“ sicher auf eine Stufe, wobei mir „Song of myself“ ein wenig besser gefällt, weil hier die Idee eines Soundtrack ein wenig mehr ausgereizt wurde. Ich mag es, wenn sich Musiker in einem Thema verfangen und ihren Ideen freien Lauf lassen, auch wenn dann die Songs ein wenig mehr progressiven Charakter bekommen und in ihrer Spielzeit ausufern. Zumindest spüre ich hier, dass man seinen Gedanken bis zum Schluss gefolgt ist und diese nicht zugunsten der Spielfähigkeit im Radio auf ein Minimum zusammengestrichen wird. Bei diesem Song kann ich mir gut vorstellen, dass dieser im Kino durch die Bilder noch an Kraft gewinnen kann.
Der letzte Song auf dem Album trägt den Namen, den auch das Cover dieses Albums schmückt. So wie in vielen Filmen der Abspann, schmückt diese Instrumentalversion den Ausstieg aus dem Album und beendet ein gelungenes Experiment, was musikalisch mich schon einmal begeistern konnte. Nun kann man auf das Filmexperiment der Band gespannt sein!