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Tattoos – Peter Maffay

Zum 40-jährigen Bühnenjubiläum leistet sich Peter Maffay ein „Best off…“ Album, bei dem die Songs wieder in neuen Versionen dem Zeitgeist angepasst worden sind. Neben seiner genialen Band (Bertram Engel, Pascal Kravetz, Carl Carlton, Jean Jacques Kravetz, Ken Taylor) ist bei diesem Album das „Wroclaw Score Orchestra“ angetreten, um die alten Schinken von Maffay in ein edles Gewand zu stecken. Versprochen wurde aber in den Vorabankündigungen, dass der Rock trotzdem nicht zu kurz kommen würde.
So gibt schon allein der Einstieg ins Album einen kleinen Einblick, was das Orchester, welches mit seinem Dirigenten Echo und Oscar Nominierungen im letzten Jahr einheimsen konnten, in den folgenden Minuten mit dem Zuhörer vorhat. Das kleine Intro, das bezeichnenderweise den Namen des ganzen Albums aufgedrückt bekommen hat, fällt für meinen Geschmack zwar ein wenig zu kurz aus, führt einen aber gut und kraftvoll in dieses Konzeptalbum ein, welches seine Zeitreise durch 40 Jahre maffayschem Schlager, Pop und Rock mit „Schatten in die Haut tätowiert“ beginnt. Hier gibt es für mich dann gleich die erste faustdicke Überraschung, die mich persönlich sehr begeistert. Die Nummer, die im Original eine schnöde rockige Nummer ist, wird kurzerhand in ein swingendes Musikstück umgewandelt, bei dem die Boxen meiner Anlage eine flotte Sohle auf mein Wohnzimmerparkett legen, wenn man diese Nummer richtig laut aufdreht. Die Nummer ist für mich zumindest richtig gut gelungen!

Nachgelegt wird dann auch gleich mit „Sonne in der Nacht“, der durch das Orchester richtig fett zur Geltung gebracht wird. Hier hat der Einsatz der Symphoniker dazu geführt, dass der Titel eine vielfache Aufwertung zum Original bekommen hat, bei dem der Sound des Orchesters die Brücke dieser besungenen Sonne in der Nacht zu bauen scheint, die Maffay & Co. bereitwillig annehmen und darüber schreiten, um bei einer Geschichte zu landen, die seinerzeit skandalöse Dimensionen ausgelöst haben soll. „Und es war Sommer“ kommt nicht nur akustisch rüber, sondern ist extrem ruhig gehalten, bei dem das Orchester fühlbar im Hintergrund agiert, ohne den 16-jährigen Peter und seine 32-jährige Begleiterin bei ihrem Date stören zu wollen. Hier ist man musikalisch ganz weit zurückgegangen, um nicht zu sagen, dass es schon ein wenig wie „Back to Schlager“ klingt, bei dem ich mich persönlich ein wenig fehl am Platz fühle, aber der sicherlich die Leute der ersten Stunde glücklich machen könnte.

Aus dieser Form der Starre wird man nun nur sehr langsam mit „7 Brücken“ und „Eiszeit“ herausgeführt, wobei beide Songs durch ihre musikalische Umsetzung glänzen können. Sie beginnen in einer Art Akustiksong und werden dann zu einer Hymne hoch sterilisiert, die zeigt, was man mit einem gut durchdachten Einsatz eines Orchesters alles erreichen kann. Beide Songs gehören auch bei Nichtmaffayanern zu dem Erkennungsmerkmal, mit dem man Peter Maffay verbindet. Sie waren also schon vorher irgendwie Hymnen des maffayschen Rock und werden durch diese Metamorphose jetzt in den Pop – Olymp gejagt, ohne dass sie übertrieben oder gar überheblich wirken. Wie sich diese Wirkung im Herbst in den großen Hallen verbreiten lässt, wird eine interessante Geschichte, auf die ich jetzt schon richtig Bock habe.

Mit „Freiheit, die ich meine“ kriege ich auch endlich den Maffay wieder zu hören, mit dem ich mich identifizieren kann. Hier heißt es dann übertrieben geschrieben: Raus aus dem Sofa, die Luftgitarre gestimmt und auf geht’s! Nicht nur textlich gehört dieser Song zu meinen Favoriten der letzten 20 Jahre, der kraftvoll von den Musikern des Orchesters unterstützt wird, die sich sicher durch diesen eigenartig anmutenden deutschsprachigen Rock ’n’ Roll bewegen. Ein Auf und Ab erlebt man bei „Glaub an mich“, der sowohl sinnliche Momente, als auch rhythmusorientierte Passagen bereithält, die einen Fingerschnippens in einen Westernsaloon transformieren, wo Maffay & Band die anwesenden Besucher mit „Halt dich an mir fest“ (Saturn Ausgabe) beglücken. Das ist nach den Schatten auf der Haut das zweite ganz große Kino, was sich Maffay mit seinen Mitstreitern leistet. Ein wenig country style in der Musik untergemischt und schon hat man ein Klanggefüge im Ohr, was man nicht mehr rausbekommen will.

Sowohl „Josie“, als auch „Tiefer“ (Saturn Ausgabe) bringen den Zuhörer in seiner Stimmung an den Rand des Abgrunds, bei dem man uns dann scheinbar auf etwas vorbereitet, was ich persönlich als Tiefpunkt des gesamten Albums empfinde. „Du“, mein Alptraum des deutschen Schalgers, steht in seiner Urform auf, wie Phönix aus der Asche. Selbst mit der gutgemeinten Hilfe der Symphoniker erreicht die neue Version aus dem 21. Jahrhundert mich in seiner Form genau so wenig, wie das verstaubte Original aus dem letzten Jahrtausend, mit dem Peter Maffay vor 40 Jahren seinen musikalischen Weg begonnen hat.

Sorry an alle Fans der ersten Stunde von Peter Maffay, aber ich habe weder schöne Erinnerungen, die ich mit diesem Song verbinden kann, noch bin ich über diesen Song zum Fan der Musik von Maffay & Band geworden. Das war erst viele Jahre später! Die einzige Version, der ich so halbwegs etwas abgewinnen kann, ist auf dem Album „heute vor dreißig Jahren“ erschienen. Wenn vereinzelte Fanatiker vielleicht nun das Gesicht zur Faust ballen und mir vorwerfen, dass ich kein Fan von Peter Maffay bin, pflichte ich diesen in vollem Umfang bei. Ein Teil der Musik von Maffay begleitet mich durch mein Leben, die Person Peter Alexander Makkay wird es nie tun und das ist gut so!

„So bist Du“ und „Weil es Dich gibt“ wirken nun (nach meinem musikalischen Erschauern) schon fast wie eine Erlösung, obwohl diese Songs sich ebenfalls sehr stark am Original ausrichten. Hier begeistert mich aber „Weil es Dich gibt“ ein wenig mehr in seiner Umsetzung.

Das einem bei ruhigeren Songs nicht gleich die Haare zu berge stehen müssen, beweist „Ewig“ auf dem 2010er Album, welcher bei mir zur schönsten Ballade mutiert. Das Zusammenspiel von Orchester, die hier scheinbar den klanglichen Rahmen allein bestreiten, mit der kantigen und dominierenden Stimme von Maffay lässt einen diesen Song in vollen Zügen genießen. Hier kann ich mir, im Gegensatz zu seinem 40 Jahre alten Pendant, der zur damaligen Zeit sicher seine Berechtigung als so genannter „Dosenöffner“, um es einmal ein wenig überspitzt zu betiteln, hatte, schon eher vorstellen, dass „Ewig“, vorausgesetzt man hat Zugang zu dieser Art von Musik, ein stilvolles Ambiente eines schönen Abends untermalen könnte. Aber an diesem Punkt scheiden sich sicherlich die Geister.

„Wir verschwinden“ ist, neben der Zeitreise durch ein bewegtes musikalisches Leben, ein Maffaysong im Gefüge der Neuzeit, der keine Schwierigkeiten besitzt, sich in die Reihe der Titel der letzten Jahre, auch wenn diese in der Öffentlichkeit nicht mehr so bekannt sind, einzuordnen. Textlich überzeugt dieser Song in vollem Umfang und lässt vielleicht sogar auch ein wenig tiefer blicken. Mit „Nessaja“, der einigen von Euch auch als „Ich wollte nie erwachsen sein“ bekannt sein dürfte, beschließt Peter Maffay das Album, der sich in dieser Version auch gut als finaler Song auf der Tour eignet. Jeder darf innerhalb des Songs noch einmal unter Beweis stellen, was er im Stande ist zu leisten und bekommt seinen eigenen Part. (Gefällt mir persönlich recht gut und gibt den nötigen Rahmen, um aus diesem Konzeptalbum auszusteigen.)

Als Fazit würde ich sagen, dass im Großen und Ganzen das Album als Rückblick auf eine lange Karriere im deutschen Musikgeschäft sich sehr gut eignet, auch wenn es für mich sowohl Licht, als auch Schatten birgt. Gemacht ist dieses Album für die Breite Masse, die mit dem Namen „Maffay“ etwas anfangen können, oder diesen irgendwie schon einmal vernommen haben. Sowohl die Fans der ersten Stunde, als auch die Leute aus der heutigen Zeit sollten hier Songs finden, mit denen sie gut leben können und in denen sie sich wiederfinden. Der Einsatz des „Wroclaw Score Orchestra“ macht dieses Werk zu einem einzigartigen Experiment im Reigen der „Best off“ – Alben von Maffay & Band, die bestimmt bei mir keinen Staub im Plattenschrank ansetzen werden.

Das 2010er Album zeigt geradlinig den gesamten musikalischen Weg, den Peter Maffay in den letzten Jahrzehnten gegangen ist und zu dem er mittlerweile auch steht. Ob es eine derartige Karriere und Wandlung in Zukunft noch einmal geben wird, muss man abwarten. Für mich ist dieses Album ein Spiegelbild einer außergewöhnlichen Musikerkarriere, die sowohl Höhen, als auch Tiefen birgt, an denen der Musiker aber nie gescheitert ist.